Das neue Verpackungsgesetz

Problemlöser oder Ursache wachsender Müllberge?

Lange erwartet und zum Anfang des Jahres gestartet, hat das Verpackungsgesetz nach Ansicht der ­Kritiker vieles nicht gehalten, was es versprochen hatte… Die Deutsche Umwelthilfe bezeichnet es gar als ambitionsloses und wirtschaftsnahes Regelwerk. Das ab dem 1. Januar 2019 in Kraft getretene Verpackungs­gesetz wird das Problem wachsender Abfallmengen nicht lösen. Was als ambitioniertes Versprechen für mehr Umweltschutz begann, wurde am Ende zu einem ambitionslosen und wirtschaftsnahen Regelwerk. Im Gesetz fehlen eine Ausdehnung der Abfallsammlung von Verpackungen auf Produkte aus Metall und Kunststoff sowie wirksame ökonomische Anreize zur Abfallvermeidung. Darüber hinaus findet, neben der nun eingeführten Selbstkontrolle des Handels, eine Entmachtung der Behörden statt und zeigt den niedrigen Stellenwert, den die Bundesregierung dem Ressourcenschutz zuweist. Auch die Anreize zum Einsatz von Recyclingmaterialien zur Herstellung neuer Verpackungen sind sehr schwach ausgeprägt.

Abfallvermeidungsziel und Förderung der ­Wiederverwendung
Während das Sammeln der Verpackungen und des Mülls hierzulande schon gut ­funktioniert sind das Thema Trennung der Fraktionen und vor allem die Wiederverwertung noch immer eine große Herausforderung. © DUHEs gibt Ziele zum Klimaschutz, zur Luftreinhaltung und zur Wasserqualität. Es ist nicht nachvollziehbar, warum es noch immer kein Vermeidungsziel gibt, welches die Umweltschäden durch die Herstellung und unsachgemäße Entsorgung von Verpackungen verringert. Ohne die Festlegung einer verbindlichen Zielmarke werden die Abfallberge nicht viel kleiner werden. Mit gutem Beispiel geht Österreich voran: Die Verabschiedung eines Minderungsziels für Plastikverpackungen von 20 Prozent bis 2025 zeigt eindrücklich, wie man wirksam gegen unnötigen Einweg-Plastikmüll vorgehen kann. Deutschland sollte ein Ziel von maximal 120 Kilogramm Verpackungsabfall ab 2025 und 90 Kilogramm ab 2030 pro Kopf und Jahr verbindlich festlegen. Hierzu müsste der Verpackungsmüllberg in den nächsten 12 Jahren mehr als halbiert werden.
 
Entscheidend ist auch, die wenigen Ziele und konkreten Vorschriften des neuen Verpackungsgesetzes, die wirklich das Potenzial zur Entlastung der Umwelt haben, konsequent umzusetzen. Hierzu zählt vor allem das Erreichen der im letzten Moment ins Gesetz aufgenommenen Mehrwegquote von 70 Prozent. Allein in Deutschland werden jährlich rund 16 Milliarden Einweg-Plastikflaschen mit einem Gewicht von mehr als 450.000 Tonnen hergestellt – mit negativen Folgen für die Umwelt und das Klima. Wenn bereits jetzt erkennbar ist, dass Mehrwegflaschen den im Gesetz festgelegten Marktanteil von 70 Prozent nicht erreichen, muss die Bundesregierung weitergehende rechtliche Maßnahmen entwickeln. Eine solche Maßnahme könnte die Einführung einer Lenkungsabgabe auf Einweggetränkeverpackungen in Höhe von 20 Cent sein, wie sie bei Alkopops seit Jahren besteht. Durch eine solche Abgabe werden die negativen Umweltauswirkungen von Einwegflaschen im Preis widergespiegelt. Mehrweg wird so auch für Discounter mehr als eine Alternative.
 
Verpackungen müssen deutlich teurer werden
Die Herausforderung heisst Reuse, Reduce, Recycle! © DUHMit mehr als 220 Kilogramm pro Kopf und Jahr ist Deutschland europäischer Spitzenreiter beim Anfall von Verpackungsabfall. Ein wesentlicher Grund hierfür sind viel zu niedrige Lizenzentgelte, die Inverkehrbringer für die Entsorgung ihrer Verpackungen an duale Systeme zahlen müssen. In einem ruinösen Wettbewerb dualer Systeme um Großkunden sind die Lizenzentgelte sogar gesunken und nicht gestiegen. Für Hersteller und Händler ergeben sich somit keine ernsthaften Gründe, sparsam mit Ressourcen umzugehen und auf unnötige Verpackungen zu verzichten. Die Politik muss endlich verbindliche Spielregeln vorgeben, damit Lizenzentgelte nicht nur die reinen Entsorgungskosten widerspiegeln, sondern darüber hinaus eine ökonomische Lenkungswirkung entfalten. Dies kann beispielsweise durch eine Ressourcenabgabe oder die Sicherstellung einer Mindesthöhe der Lizenzentgelte erreicht werden.
 
Standards zur Recyclingfähigkeit verbindlich festlegen
Verpackungen erhalten einen immer komplizierteren Aufbau aus unterschiedlichen Materialien und behindern dadurch Sortier- und Recyclingprozesse. Käseverpackungen mit mehr als zehn übereinandergelegten Schichten aus unterschiedlichen Materialien verdeutlichen dieses Problem besonders gut. Damit auch in Zukunft ein qualitativ hochwertiges Recycling garantiert werden kann, müssen bereits beim Verpackungsdesign ökologische Standards festgelegt und verbindlich umgesetzt werden. Das Verpackungsgesetz gewährleistet dies nicht! Hier muss Bundesumweltministerin Schulze nachbessern.
 
Stärkere Förderung von Recyclingmaterialien
Ohne eine vernünftige Kreislaufwirtschaft werden wir im Müll ­ersticken. © DUHZwar werden die an den Stand der Technik angepassten Recyclingquoten dazu führen, dass mehr Verpackungen als bisher recycelt werden. Allerdings werden aus alten Plastikverpackungen nicht ohne weiteres Zutun der Bundesregierung neue. Vielmehr werden hochwertige Verpackungsmaterialien zu minderwertigeren Produkten downgecycelt. Das hat damit zu tun, dass die Anforderungen an die Herstellung von Lebensmittelverpackungen besonders hoch sind. Technisch ist die Herstellung von Recyclingmaterial für den Kontakt mit Nahrungsmitteln möglich, aber sehr teuer. Deshalb greifen Verpackungshersteller und Handelskonzerne lieber auf Neumaterial zurück, deren Ausgangsstoff Rohöl vergleichsweise günstig ist.
 
Es reicht somit nicht aus, hohe Recyclingquoten festzulegen, wenn anschließend die Abnehmer für das Rezyklat fehlen. Für einen ehrlichen Recyclingkreislauf ist die Festlegung einer Mindesteinsatzquote von Rezyklaten zur Herstellung von Verpackungen und Produkten notwendig. Durch ein Fondsmodell könnten zusätzlich finanzielle Anreize geschaffen werden, eine vorgegebene Mindestquote zum Einsatz von Recyclingmaterial noch deutlich zu übertreffen. Die Hersteller hochwertiger Rezyklate brauchen Planungssicherheit und Abnehmer für mehrere Jahre, um millionenteure Anlagen bauen zu können. Nur so kann mittelfristig eine Skalierung der Kapazitäten stattfinden. Die bisherigen Regelungen im Verpackungsgesetz beruhen allerdings auf Freiwilligkeit und fördern damit den Einsatz von Recyclingmaterialien nicht stark genug.
 
Staatliche Kontrolle statt Eigenüberwachung
Die mit der Errichtung einer „Zentralen Stelle" beabsichtigte Bündelung von Informationen, die Steigerung der Effizienz und die Förderung eines funktionierenden Vollzugs des Verpackungsgesetzes ist sinnvoll. Die Ausformung dieser Stelle als herstellergetriebene, beliehene Stiftung bürgerlichen Rechts birgt jedoch das Potenzial für Probleme. Eine solche Stiftung erhält hoheitliche Befugnisse wie eine Behörde. Deren Repräsentanten sind aber die zu kontrollierenden Hersteller und Händler selbst. Es droht ein unkontrollierbares Interessengeflecht von Verpackungsherstellern, Händlern und Entsorgern. Es ist eine neutrale und unabhängige, zentrale Stelle nötig, z.B. als Anstalt des öffentlichen Rechts oder als Teil einer schon vorhandenen staatlichen Behörde, wie beispielsweise dem Umweltbundesamt. Allein dadurch kann gewährleistet werden, dass die hoheitlichen Aufgaben frei von Einflüssen wirtschaftlicher Interessen gegenüber allen Marktbeteiligten wahrgenommen werden.
 
Fazit: Die Wertstoffsammlung braucht einen neuen Anlauf
Damit das Problem zu vieler Verpackungsabfälle in Deutschland wirklich gelöst wird, ist die Festlegung eines Abfallvermeidungsziels, die konsequente Umsetzung der Mehrwegquote für Getränkeverpackungen und eine deutliche Verteuerung von Verpackungsmaterialien notwendig. Um Recyclingkreisläufe zu schließen, muss der Einsatz von Recyclingmaterial, im Vergleich zur Verwendung von Neumaterial, viel stärker als bisher bevorteilt werden. Und: Angesichts immer knapper werdender Ressourcen reicht die Beschränkung des Recyclings auf Verpackungen nicht mehr aus.
 
Die Wertstoffsammlung muss unbedingt ausgeweitet werden. Denn noch immer landen viel zu viele recyclingfähige Stoffe im Restmüll. Allerdings legt das Verpackungsgesetz nicht, wie ursprünglich angedacht, die Einführung einer bundeseinheitlichen Wertstofftonne fest, sondern stellt es den Städten und Landkreisen frei, diese selbstständig einzuführen. Umweltministerin Schulze muss auch hier einen neuen Anlauf für eine bundesweite Wertstofftonne nehmen. Ansonsten landen weiterhin mehr als 400.000 Tonnen Wertstoffe pro Jahr im Restabfall und der Verbrennung…
 
Thomas Fischer ist Diplom Umweltwissenschaftler und war Mitarbeiter eines Industrieverbandes, bevor er 2008 zur Deutschen Umwelthilfe (DUH) wechselte. Dort leitet er seit 2013 die Abteilung Kreislaufwirtschaft. Fischer ist Experte für Abfallvermeidung, Recycling, Umweltmanagement und Nachhaltigkeitskommunikation.

Umwelt | Ressourcen, 01.03.2019
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019 - Time to eat the dog erschienen.
     
        
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